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Der Motivationsbrief

So schlitterst du garantiert am A-Stapel vorbei

Die meisten Motivationsbriefe tönen etwa so: «Mit grossem Interesse bewerbe ich mich für die Stelle als Logistiker. Zurzeit arbeite ich bei der Firma XY in einer ähnlichen Funktion. Davor habe ich in den Bereichen A und Z Erfahrung gesammelt. Ich bin eine zuverlässige, freundliche und humorvolle Person. Meine Muttersprache ist Deutsch und die Staplerprüfung habe ich auch. Nun bin ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Über eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch würde ich mich sehr freuen.»

 

Was damit nicht in Ordnung ist? Es ist langweilig, austauschbar und nichtssagend. Auf den A-Stapel kommst du nur, wenn der Personaler nicht erst einen halben Liter schwarzen Kaffee inhalieren muss, um deinen Brief überhaupt fertig lesen zu können.

So rettest du den Personaler vor dem schleichenden Hirntod

Der Einstieg. «Sie suchen eine zuverlässige und freundliche Kellnerin?» Mit einer Frage zu beginnen, ist eine gute Idee. Aber bitte nicht mit dieser. Was im Inserat steht, muss nicht wiederholt werden - der Betrieb weiss ja, was er sucht. Und natürlich sucht kein Betrieb eine unzuverlässige, mies gelaunte Kellnerin.

 

Formuliere die Frage lieber so: «Haben Sie auch genug Stühle für den Biertrinkerverein der Stadt Bern? Zwanzig durstige Männer und eine Frau trainieren nämlich jeden Donnerstag meine Oberarmmuskulatur.»

 

Oder beginne mit einer überraschenden Ansage, zum Beispiel so: «Meine Gäste geben nie Trinkgeld - weil sie nie welches übrig haben, wenn sie das Lokal verlassen.»

 

Oder lass eine Geschichte los: «Mein erfolgreichster Tag als Kellnerin begann mit süssem Tee und einem warmen Croissant.»


Der Mittelteil. Nun folgen knackige und präzise Argumente, weshalb die Stelle dir gehören soll. Auf diese drei Fragen will der Personaler eine Antwort:

 

1. Weshalb willst du ausgerechnet zu dieser Firma?

2. Weshalb bist du die Richtige?

3. Weshalb bist du überhaupt auf der Suche?

 

Du musst begründen können, was dich an der Firma und an der Stelle fasziniert und weshalb du dich damit identifizieren kannst. Das geht nicht mit einem abgegriffenen Abklatsch. Das schaffst du nur, wenn du dich mit der Firma auseinandersetzt.

 

Es reicht nicht, dass du zuverlässig und freundlich bist. Das sind hundert andere auch. Schreib, was dich von anderen unterscheidet. Wenn du teamfähig bist, dann schreibe nicht, «ich bin teamfähig.» Sondern bringe anhand eines konkreten Beispiels auf den Punkt, wie dank deiner Teamfähigkeit eine ausweglose Situation gerettet werden konnte.

 

Begründe, weshalb du überhaupt auf der Suche bist. Schreib nicht, dass du eine neue Herausforderung suchst. Das ist erstens offensichtlich und zweitens wollen wir Personaler diese Worthülse einfach nicht mehr hören. Dieser Teil ist schwierig: Du solltest nichts Schlechtes über deinen aktuellen Arbeitgeber schreiben. Der kurze Arbeitsweg sollte auch nicht mehr als einen Nebensatz füllen. Und dass du deinen Job verloren und nun halt auf der Suche bist, hilft dir auch nicht weiter. Du musst glaubhaft machen können, dass du wirklich unbedingt dorthin willst. Nicht, weil du musst oder weil es praktischer für dich wäre, sondern weil sich für beide Parteien Vorteile daraus ergeben.


Der Schlusssatz. Der Schlusssatz darf durchaus ein bisschen frech, geheimnisvoll oder verspielt sein. Aber auf keinen Fall gewöhnlich. Lass uns zum Beispiel des humorvollen Logistikers zurückkehren. Er könnte schreiben: «Jetzt bleibt nur noch die Frage, ob ich gleich mit dem Stapler zum Vorstellungsgespräch kommen soll?» In einem einzigen Satz offenbart er ganz beiläufig und elegant, dass er humorvoll ist und Stapler fahren kann. Das ist Sprache, die Kraft hat!


Dein Motivationsbrief sollte nicht länger als eine Seite sein. Schreib nichts hinein, was bereits in deinem Lebenslauf steht; ausser es ist wichtig. Wenn deine Worte hingegen so treffend ins Gehirn knistern, wie früher ein «Hü» in den Hintern einer Sau, dann wird anschliessend auch dein Lebenslauf genau gelesen. Personaler sind durchaus nicht undankbar - rettest du einen vor dem schleichenden Hirntod, wird er dir bestimmt Arbeit geben.

 

(Für alle, die nicht in einem Emmentaler Dorf aufgewachsen sind oder nach 2010 geboren wurden: Der «Hü» ist ein elektrischer Viehtreiber und seit etwa 10 Jahren verboten.)