Was sind Taggelder überhaupt?
Taggelder sind kein Lohn, sondern eine Lohnersatzzahlung. Als Arbeitgeber darfst du sie einsacken, wenn du stattdessen den Lohn in mindestens der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe weiterzahlst.
Wie ist mit Taggeldern umzugehen?
Wenn Taggelder von Versicherungen an dich als Arbeitgeber ausgeschüttet werden, hast du drei Möglichkeiten, diese zu verarbeiten.
- Du kannst die Taggelder in der Lohnbuchhaltung verarbeiten, also mit dem Lohn verrechnen und so an den Mitarbeiter weiterleiten.
- Du kannst den Lohn normal weiterzahlen, die Taggelder behalten und Ende Jahr bei der Lohnsummendeklaration Korrekturen vornehmen.
- Du kannst die Taggelder ohne Lohnzahlung direkt via Lohnbuchhaltung an den Mitarbeiter weiterleiten (also «ungefiltert» weiterleiten).
Variante 2 ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Gründe:
- Lohnabrechnungen und Lohnausweis stimmen Ende Jahr nicht mit der Lohnsummendeklaration überein.
- Das AHV-pflichtige Einkommen des Mitarbeiters (auf seinem Konto bei der AHV) stimmt folglich Ende Jahr nicht mit den tatsächlich bezahlten Beiträgen überein.
Variante 3 finde ich ebenfalls nicht sinnvoll. Grund:
- Taggelder treffen immer mit einer gewissen Verspätung ein. Der Mitarbeiter gerät dadurch unter Umständen in einen Liquiditätsengpass.
Aus meiner Sicht kommt also nur Variante 1 in Frage. Das sieht auf den ersten Blick kompliziert aus, ist in einer ernsthaft und sauber geführten Lohnbuchhaltung aber die einzig richtige Lösung. Konzentrieren wir uns also darauf.
Auswirkungen von Taggeldern in der Lohnabrechnung
Taggelder von Versicherungen sind ganz oder teilweise von AHV/IV/EO-, ALV- und NBU-Abzügen befreit. Hier ein Überblick, welche Taggelder bei welcher Versicherung abgabepflichtig sind:
ja = pflichtig
nein = nicht pflichtig (kein Abzug)
Was / Wo
KTG-Taggeld
UVG-Taggeld
EO Mutterschaft
EO Militär
AHV/IV/EO/ALV
nein
nein
ja
ja
UVG-Vers.
nein
nein
nein
nein
KTG-Vers.
nein
nein
ja
ja
Lohnabrechnung ohne Taggeldverrechnung 2020
So sieht eine Lohnabrechnung für einen normalen Arbeitsmonat (ohne Unfall, Krankheit, Mutterschaft, Militärdienst etc.) in etwa aus:
Bruttolohn
Abzüge
AHV/IV/EO
ALV
NBU
KTG
BVG
Total Abzüge
Nettolohn
Basis
Basis
CHF 4'000.00
CHF 4'000.00
CHF 4'000.00
CHF 4'000.00
Jahreslohn
Ansatz
Ansatz
5.275 %
1.1 %
1.209 %
0.893 %
fix
CHF 4'000.00
Betrag
CHF 211.00
CHF 44.00
CHF 48.35
CHF 35.70
CHF 505.20
CHF 844.25
CHF 3'155.75
Zu beachten: Die Abzüge für AHV/IV/EO und ALV sind für alle Arbeitnehmer gesamtschweizerisch gleich. Die Abzüge für NBU, KTG und BVG sind je nach Betrieb unterschiedlich hoch. NBU-versichert sind nur Mitarbeiter, die mindestens 8 Stunden pro Woche arbeiten. Beim KTG sollte der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Prämie tragen (sonst entspricht ist die KTG-Versicherung nicht dem gesetzlichen Mindeststandard).
Lohnabrechnung mit Taggeldverrechnung 2020
So sieht die Lohnabrechnung aus, wenn der Mitarbeiter krank war und die Versicherung für den ganzen Monat Krankentaggelder ausgeschüttet hat:
Bruttolohn
Krankentaggeld
Korrektur Taggeld
Abzüge
AHV/IV/EO
ALV
NBU
KTG
BVG
Total Abzüge
Nettolohn
Basis
01.09. - 30.09.2020
Relevant für Basis
Basis
CHF 580.85
CHF 580.85
CHF 580.85
CHF 580.85
Jahreslohn
Ansatz
Total
Total
Ansatz
5.275 %
1.1 %
1.209 %
0.893 %
fix
CHF 4'000.00
CHF 3'419.15
CHF - 3'419.15
Betrag
CHF - 30.65
CHF - 6.40
CHF - 7.00
CHF - 5.20
CHF - 505.20
CHF - 554.45
CHF 3'445.55
Weil die KTG-Taggelder nicht sozialversicherungspflichtig sind, wird die Basis um die Höhe der Krankentaggelder reduziert. Der kranke Mitarbeiter hat nun weniger Abzüge und somit einen höheren Nettolohn als wenn er gesund wäre und arbeiten würde. Störend, nicht wahr?
Dieses Problem kannst du beheben, indem du einen Nettolohnabzug machst, der den Lohn auf den normalen Nettolohn kürzt. Weil du im Arbeitsvertrag jedoch einen Bruttolohn mit Abzügen vereinbart hast, solltest du den Nettolohnabzug schriftlich im Personalreglement festhalten, um rechtliches Glatteis zu umschiffen, zum Beispiel so: «Bei Arbeitsunfähigkeit, die eine Verrechnung von Lohnersatzleistungen nach sich zieht, entspricht die Nettolohnauszahlung maximal dem Lohn, welcher bei voller Arbeitsfähigkeit erzielt worden wäre. Namentlich werden die durch ausgeschüttete Taggelder entfallenen Abzüge berücksichtigt.»
Alternative zum Nettolohnabzug: Bruttolohnreduktion auf 80 %
Du kannst natürlich deinem Mitarbeiter brutto auch «nur» 80 % Lohn zahlen, wenn er krank ist (sofern du eine KTG-Versicherung abgeschlossen hast, die dem gesetzlichen Minimum entspricht). Dann sieht die Lohnabrechnung so aus:
Lohnabrechnung mit Lohnabzug und Taggeldverrechnung 2020
Bruttolohn
Lohnabzug Krankheit
Krankentaggeld
Korrektur Taggeld
Abzüge
AHV/IV/EO
ALV
NBU
KTG
BVG
Total Abzüge
Nettolohn
Ansatz
01.09. - 30.09.2020
01.09. - 30.09.2020
Relevant für Basis
Basis
CHF - 219.15
CHF - 219.15
CHF - 219.15
CHF - 219.15
Jahreslohn
Ansatz
20 %
Total
Total
Ansatz
5.275 %
1.1 %
1.209 %
0.893 %
fix
CHF 4'000.00
CHF - 800.00
CHF 3'419.15
CHF - 3'419.15
Betrag
CHF 11.55
CHF 2.40
CHF 2.65
CHF 1.95
CHF - 505.20
CHF - 486.65
CHF 2'713.35
Nun hat unser Mitarbeiter brutto zwar einen Abzug von 20 % (CHF 800.-). Dieser wirkt sich (nebst den Taggeldern) ebenfalls auf die Basis aus, weshalb er nun bei AHV/IV/EO, ALV, NBU und KTG eine Gutschrift hat, statt eines Abzugs. Vergleichen wir jetzt den Nettolohn unseres Mitarbeiters bei voller Arbeitsfähigkeit (CHF 3'155.75) mit seinem Nettolohn bei Krankheit mit Lohnabzug von 20 % und Taggeldverrechnung (CHF 2'713.35), ergibt das eine Differenz von CHF 442.40. Netto macht die Lohndifferenz dank der Taggelder also «nur» noch 14 % aus. Diesen Lohnausfall kann der Mitarbeiter freiwillig auf eigene Kosten versichern.
Sollst du nun besser 80 % oder 100 % Lohnfortzahlung leisten?
Die Reduktion des Bruttolohnes auf 80 % während Krankheit macht für mich Sinn. So vermeidest du automatisch eine Überentschädigung, welche du sonst netto ausgleichen musst (denn auf dieses Ziel hin sind die Versicherungsleistungen ursprünglich ausgearbeitet worden). Ich bin dafür, Leistungsträgern nebst menschlicher, auch finanzielle Wertschätzung entgegen zu bringen. Kranke Mitarbeiter sind nun mal gerade keine Leistungsträger (das ist Fakt - es geht hier nicht um eine Schuldfrage). Weshalb sollten sie den gleichen Lohn erhalten wie ihre Kollegen, die den Ausfall kompensieren müssen? Nebst den eingesparten Sozialversicherungsbeiträgen fallen ja bei Arbeitsunfähigkeit auch Auslagen für Benzin und auswärtige Mittagessen weg. Hier die Vor- und Nachteile von 80 % Bruttolohn aus Sicht des Arbeitgebers:
Vorteile
- Weniger Lohnkosten
- Anreiz für baldigen Wiedereinstieg
-
«Lastenverteilung» zwischen gesunden und kranken Mitarbeitern
Nachteile
- Administrativer Aufwand
- Förderung von Präsentismus
- Unerwünschte Diskussionen mit kranken Mitarbeitern
Langzeitkrankheit
Mehr als 3 Monate
In der Regel wird der Mitarbeiter nach 3 Monaten von der BVG-Prämienzahlung befreit (siehe Pensionskassenreglement). Die Versicherung bezahlt ab diesem Zeitpunkt die Spar- und Risikobeiträge von Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer selber. Der Mitarbeiter bleibt also versichert und sein Sparguthaben wächst weiter, obschon der BVG-Abzug auf seiner Lohnabrechnung entfällt.
1 ganzes Jahr
Wer ein ganzes Jahr lang Taggelder und keinen AHV-pflichtigen Lohn mehr bezieht, muss Beiträge als Nichterwerbstätiger entrichten (sofern die durch den Ehegatten entrichteten Beiträge nicht doppelt so hoch sind wie der Minimalbetrag).
Auswirkungen auf den 13. Monatslohn
Falls du einen 13. Monatslohn zahlst, ist dieser mitversichert und somit in den ausgeschütteten Unfall- und Krankentaggeldern enthalten (sofern du den Schadenfall bei der Versicherung korrekt angemeldet hast). Dass deswegen die ausgeschütteten Taggelder an den Arbeitgeber effektiv höher sind als 80 % seines Bruttolohnes, führt beim Mitarbeiter oft zu Verwirrung. Indem du die Taggelder mit dem Lohn verrechnest, gibst du diese jedoch an den Mitarbeiter weiter (seine Sozialversicherungsabzüge sinken dadurch zusätzlich). Du darfst nun sogar seinen 13. Monatslohn anteilsmässig kürzen, denn dieser beträgt 8.33 % des effektiv ausbezahlten Lohnes (Taggelder sind kein Lohn, sondern Lohnersatz).